08. Mai 2024

«Leerstandsziffer auf tiefstem Niveau»

Anastasius Tschopp, CEO Swiss Prime Site Solutions im Interview mit Immobilien Business

Zur Person

Anastasius Tschopp, 44, ist seit 2018 CEO der Swiss Prime Site Solutions und seit Januar 2021 Mitglied der Gruppenleitung der Swiss Prime Site AG. Der Inhaber eines Masters in Real Estate Management und eines Masters in Banking and Finance der Hochschule für Wirtschaft in Zürich führt den Asset Manager der börsenkotierten Swiss Prime Site, welcher nach der Übernahme der Immobiliensparte der Fundamenta-Gruppe über ein Anlagevermögen von 13 Milliarden Franken verfügen wird.

IMMOBILIEN BUSINESS: Herr Tschopp, Swiss Prime Site hat jüngst die auch in Deutschland investierte Fundamenta Group übernommen, deren Gefässe nun von der Swiss Prime Site Solutions gemanagt werden. Damit scheinen Sie im Trend zu liegen. Immer mehr Schweizer Asset Manager haben in jüngster Zeit Immobilienfonds aufgelegt, die im Ausland investieren.

Anastasius Tschopp: Viele institutionelle Schweizer Investoren, insbesondere Pensionskassen, haben schon länger die Absicht, ihre Immobilieninvestments stärker zu diversifizieren. Etliche dieser Pensionskassen erwägen dabei, fünf bis zehn Prozent ihres für Immobilieninvestments allokierten Kapitals ausserhalb der Schweiz anzulegen. Und jetzt ist ein guter Zeitpunkt dafür gekommen. In der Eurozone war die Inflation deutlich höher als in der Schweiz. Deshalb hat die Europäische Zentralbank die Leitzinsen sehr viel stärker angehoben als die Schweizerische Nationalbank. Dadurch sind die Immobilienwerte in der Eurozone in erheblich grösserem Umfang gesunken als hierzulande.

Sie sehen also eine kurzfristige Chance für Schnäppchenjäger?

Nein. Erfolgreiche Immobilienanlage-Strategien weisen selten einen kurzen Zeithorizont auf. Es handelt sich dabei meistens um langfristige Investments. Gegenwärtig lassen sich Liegenschaften in den Staaten der Eurozone zu deutlich höheren Anfangsrenditen erstehen als in der Schweiz. Aber auch mit Sicht auf mehrere Jahre sind die europäischen Immobilienmärkte interessant. Nehmen Sie als Beispiel Deutschland. Das Land ist zwar kurzfristig in einer Rezession, bietet aber dauerhaft optimale Fundamentaldaten für Immobilieninvestoren. Es ist die grösste Volkswirtschaft Europas. Wie in der Schweiz benötigen die Unternehmen Fachkräfte aus dem Ausland. Gleichzeitig werden seit Jahren in den Ballungszentren mit wachsender Bevölkerung zu wenig neue Wohnungen gebaut, was zwangsläufig zu steigenden Mieten führt.


Sie spielen darauf an, dass die deutsche Regierung angekündigt hat, 400.000 neue Wohnungen pro Jahr zu schaffen, doch 2021 und 2022 nur 293.400 respektive 295.300 errichtet wurden?

Auch davor wurde das Ziel nicht erreicht. Studien zeigen, dass ab 2025 rund eine halbe Million Wohnungen in den grossen deutschen Städten fehlen werden. Und ebenso mangelt es in Deutschland langfristig an Senioren- und Pflegeheimen. Nun erreichen auch in Deutschland die ersten Angehörigen der letzten geburtenstarken Generation das Rentenalter – und für jene von ihnen, die Pflege benötigen werden, gibt es nicht genügend Einrichtungen.

Bislang sind Schweizer institutionelle Investoren gut gefahren, indem sie Auslandsmärkte gemieden und primär in der Schweiz investiert haben. Anders als in der Eurozone sind die Marktwerte hier nur geringfügig gesunken.

Das ist richtig. Die Pensionskassen wollen auch nicht ihren Home Bias aufgeben, was ich ebenfalls für richtig halte. Sie sehen aber auch die Möglichkeit, ihre Immobilieninvestments breiter aufzustellen. Der Schweizer Markt ist klein im internationalen Vergleich. Da viele institutionelle Investoren bislang fast ausschliesslich auf Schweizer Immobilien gesetzt haben, sind jedoch die Preise hier seit Jahren höher und die Renditen tiefer als im europäischen Ausland. Deshalb ist über die Jahre hinweg die Bereitschaft bei den Pensionskassen gewachsen, auch ausserhalb der Schweiz in Liegenschaften zu investieren.

«Erfolgreiche Immobilienanlage-Strategien weisen selten einen kurzen Zeithorizont auf.»

 

 


Spielt dabei auch eine Rolle, dass immer mehr Investoren wegen der Trends zum Homeoffice und zum Online-Shopping Büro- und Retailflächen auch in der Schweiz skeptisch beäugen?

Diese Befürchtungen sind übertrieben, weil hier kurzfristige Trends dauerhaft in die Zukunft projiziert werden. Homeoffice oder Flexoffice ist nicht erst seit drei Jahren ein Thema, sondern schon viel länger. Tatsächlich gibt es bei Nutzern eine konstante Nachfrage nach kommerziellen Flächen, wenn diese sich in guten Lagen befinden, von hoher Qualität sind und professionell gemanagt werden.

Doch gibt es derzeit mehr Unternehmen, die ihre Beschäftigten im Homeoffice arbeiten lassen als vor der Pandemie…

Das bedeutet aber nicht, dass dies dauerhaft so bleiben wird. Jeder Trend löst auch einen gewissen Gegentrend aus. Unternehmen und ihre Mitarbeitenden werden auch künftig Büroräume benötigen, um effizient miteinander zu kommunizieren und beste Leistungen vollbringen zu können. Allein daheim in den eigenen vier Wänden zu arbeiten, mag an ein, zwei Tagen in der Woche attraktiv sein, um sich auf ein Projekt oder redundante Arbeiten konzentrieren zu können. Die Beschäftigten benötigen und suchen aber auch den Austausch untereinander. Neues entsteht manchmal spontan – beispielsweise beim Kaffee im Büro – und das auch ausserhalb der eigenen Abteilung. Ein wichtiger Unterschied gegenüber dem Ausland ist auch, dass die Pendlerzeiten in der Schweiz bei durchschnittlich 30 Minuten liegen und nicht wie im Ausland bei über einer Stunde.

Sie fürchten nicht, dass der Leerstand in ihren kommerziellen Liegenschaften steigen wird?

Die Leerstandsziffer bei den Büroliegenschaften in unserem Commercial Fonds ist auf dem tiefsten bislang verzeichneten Niveau. Und was die Nachfrage nach Retailflächen betrifft: Wir haben 2022 das Centro Lugano Sud mit sechs Prozent Leerstand zu einer sehr attraktiven Anfangsrendite erworben. Heute ist das Centro vollvermietet und die Mietrendite entsprechend gestiegen.

Studien zeigen, dass Büro- und Retailflächen vor allem in innerstädtischen Lagen von Nutzern nachgefragt werden. Hingegen scheint das Interesse an Objekten in den Agglomerationen zu sinken…

Nicht nur Büroflächen in zentralen Innenstadtlagen, sondern auch in modernen Objekten in Quartieren mit guter Verkehrsanbindung werden dauerhaft begehrt bleiben. Nehmen Sie als Beispiel den Prime Tower in Zürich-West an der Hardbrücke. Das Quartier hat eine perfekte Verkehrsanbindung. Der Bahnhof ist direkt nebenan, hinzukommen Bus- und Tramstationen. Solche Standorte haben Zukunft. Anders sieht es in der Tat mit Objekten in C- oder gar D-Lagen in der Agglomeration ohne Anbindung an den öffentlichen Verkehr aus. Derartige Flächen sind bei Nutzern in der Tat nicht so gefragt, weil solche Standorte für die Mitarbeitenden unattraktiv sind. Bei solchen Büroliegenschaften stellt sich die Frage, ob es nicht besser wäre, sie in Wohnüberbauungen umzuwandeln. Man sollte nicht unterschätzen, dass sich die Infrastruktur mit dem Gebäudepark in der Schweiz im Einklang entwickeln sollte. Das eine ist vom anderen abhängig.

Was planerisch einen erheblichen Aufwand bedeuten würde…

Natürlich müsste der Bauleitplan entsprechend angepasst werden. Das würde eine gewisse Zeit dauern. Doch solche Umwandlungen dürften generell auf Zustimmung stossen. Keine Gemeinde hat Interesse an dauerhaft leerstehenden Bürogebäuden.

Sie vermelden vermehrt, dass Pensionskassen ihre Immobilienportfolios als Sacheinlage in Ihre Gefässe einbringen. Ist dies ein Trend, geschuldet den hohen Klimaschutzauflagen?

Das ist definitiv ein Trend. In den vergangenen drei Jahren haben wir Immobilien im Gesamtwert von rund 400 Millionen Franken als Sacheinlagen für unsere Gefässe erhalten. Allein in diesem Jahr kamen bislang weitere Liegenschaften im Wert von rund 50 Millionen Franken hinzu. Die verschärften Klimaschutzauflagen sind nur ein Treiber dieser Entwicklung. Weitere Treiber sind der Fachkräftemangel sowie die vielen Auflagen und neuen Gesetze im Entwicklungs- und Baubereich in der Immobilienbranche. Da liegt der Gedanke nahe, Liegenschaften als Sacheinlage in Gefässe einzubringen, in welchen diese effizienter und einfacher gemanagt werden. Gleichzeitig ist die Diversifikation für die Investoren viel höher.


Gibt es Ausschlusskriterien bei der Art von Liegenschaften, die eine Pensionskasse in Ihre Gefässe einbringen kann? Beispielsweise bei Objekten mit erheblichem Modernisierungsbedarf?

Wie bei Immobilienankäufen verfolgen wir auch bei Sacheinlagen eine Zehn-Jahres-Planung. Ein Portfolio muss über diesen Zeitraum von der Lage und der Nutzernachfrage her zum Gefäss passen. Von unabhängigen Bewertern lassen wir die uns als Sacheinlage angebotenen Immobilien auf ihren Marktwert und auf die Höhe der Modernisierungskosten prüfen. Die Modernisierungskosten werden – wie bei jedem Ankauf – in die Bewertung integriert, damit die bereits investierten Anleger nicht benachteiligt werden.

Sind denn die Bestandsanleger grundsätzlich offen für Sacheinlagen?

Mit der Sacheinlage tritt nicht nur ein weiterer Investor hinzu. Die eingebrachten Immobilien sorgen auch dafür, dass das Portfolio des Gefässes diversifizierter wird. Da kleinere Pensionskassen Immobilieninvestments meist in ihrem Umfeld getätigt haben, befinden sich die neuen Immobilien oft in Regionen, die bislang nicht im Portfolio vertreten waren.