26. Aug 2024

«Steigender Appetit auf Immobilien»

Der Appetit der Investoren auf Grundstücke, Beton und Ziegelsteine nimmt wieder zu. Mit 12,7 Milliarden Franken an Assets under Management ist der auf Immobilien spezialisierte Asset Manager SPSS einer der wichtigsten Akteure. finews.ch spricht mit CEO Anastasius Tschopp über die Faszination des Bauens und die Aussichten für die Immobilienwirtschaft.

Herr Tschopp, auf dem Finanzplatz gilt die Immobilienbranche zuweilen als ein wenig grau: stabil, aber langweilig…
Das wäre mir neu. Wer diesen Eindruck hat, den würde ich gerne mitnehmen auf eine Baustelle. Da versteht man rasch, wie man Passion für Handwerkliches entwickeln kann. Zum Beispiel kommen Sie als Plattenleger in ein Badezimmer, welches gerade vom Gipser verputzt wurde. Wenn Sie nach getaner Arbeit das Badezimmer verlassen, dann ist es schön und verziert, womöglich mit wunderbaren Materialien wie den mehrere Jahrtausende alten Natursteinen.

Sie sprechen mit viel Leidenschaft. Woher kommt Ihre Begeisterung für das Thema Immobilien?
Sie wurzelt darin, dass ich gelernter Plattenleger bin. Später habe ich Baumaterial verkauft und bin von dort in die Bewirtschaftung gewechselt. Immobilien sind attraktiv, weil sie uns alle betreffen: Sei es beim Wohnen, Arbeiten, bei der Infrastruktur… Zumindest über die Pensionskasse ist praktisch jeder Schweizer substantiell in Immobilien investiert. Immobilien sind eine vielfältige, tolle Welt. Es ist doch schön, wenn man zum Beispiel ein uraltes Gebäude in etwas Topmodernes verwandeln kann, ohne alles Bestehende abzureissen. Als ich noch als Portfoliomanager bei Swiss Prime Site (SPS) arbeitete, war ich unter anderem für die Brandschenkestrasse zuständig. Eigentlich wollten wir das Bürogebäude sanieren und die Flächen wieder als Büro vermieten. Dann überdachten wir die Strategie und wir haben stattdessen 400 Hotelzimmer eingebaut, das heutige MotelOne. Ein Gebäude, wo Leute ein- und ausgehen, das Freude bereitet.

«Es ist schön, wenn man ein uraltes Gebäude in etwas Topmodernes verwandeln kann»

A propos: Läuft das MotelOne eigentlich gut?
Die Kette hat global eine Belegungsrate um die 80 Prozent, wie man aus den Geschäftsberichten liest. Und ich denke, die Brandschenkestrasse läuft gut… Genaueres kann ich jedoch nicht sagen, da ich ja nicht den operativen Betrieb führe.

Sprechen wir über Ihren Arbeitgeber. Man kennt Swiss Prime Site, kurz SPS, als kotierte Immobilienfirma mit dem Aushängeschild Prime Tower. Weniger bekannt ist die Tochtergesellschaft Swiss Prime Site Solutions, die Sie seit der Gründung im Jahr 2017 leiten. Wofür steht das zusätzliche S?
Das S steht für Solutions. Und die Trennlinie ist ganz einfach: Die SPS hat ein eigenes Bestandsportfolio von 13,1 Milliarden Franken. Dazu gehören beispielsweise auch der Prime Tower und das Jelmoli-Haus sowie viele Entwicklungsprojekte. SPSS hingegen arbeitet im Auftrag von Dritten. Wir managen Assets für institutionelle und private Immobilien-Investoren, mittels Anlagestiftungen, Fonds, Mandaten oder Club Deals.

Welche Überlegungen haben zu der Gründung von SPSS geführt?
Wir wollten eine Investmentplattform für institutionelle und private Immobilien-Investoren kreieren: Vorsorgeeinrichtungen, Stiftungen, Family Offices etc.

Wie hat sich das Geschäft seither entwickelt?
Als wir die Anlagestiftung gegründet haben, waren wir ein paar wenige im Team mit rund einer Milliarde Assets under Management. Dann folgte eine rasche Zunahme auf vier Milliarden Franken und etwa 30 Mitarbeitende. Weiter gewachsen sind wir über Zukäufe: Vor zweieinhalb Jahren haben wir Akara gekauft, wodurch wir auf etwa 80 Mitarbeitende angewachsen sind. Und kürzlich kam Fundamenta hinzu mit ihrem Geschäft in der Schweiz und in Deutschland.

«Wir managen Assets für institutionelle und private Immobilien-Investoren, mittels Anlagestiftungen, Fonds, Mandaten oder Club Deals.»

Das heisst, wir sind jetzt 140 Mitarbeitende und haben über 12.7 Milliarden Franken an Assets under Management. Damit sind wir bei den Asset Managern in der Schweiz im Immobilienbereich das grösste unabhängige Unternehmen.

Was bedeutet «unabhängig»?
Dass wir kein eigenes Buch haben, also direkt Gelder von Kunden verwalten. Wenn wir eine Emission machen, dann muss das Kapital immer zuerst von unseren Kunden gezeichnet werden. Mitbewerber haben zum Teil ein eigenes Buch, zum Beispiel Vermögensverwalter, Versicherer oder Banken.

Wie sieht diese Produktpalette konkret aus?
Sie ist sehr umfassend. Von den Fonds, mit denen wir mittlerweile neben Gewerbe- auch Wohnimmobilien abdecken, Anlagestiftungen bis hin zu anspruchsvollen Einzelmandaten. Wenn jemand zu uns kommt und ein Immobilien-Portfolio aufbauen will – zum Beispiel 300 Millionen Franken in Wohnimmobilien mit Schwerpunkt Innerschweiz –, dann können wir dies entsprechend umsetzen. Oder auch die Übernahme des Managements bestehender Portfolios… Wir haben Knowhow und Angebote für den Einkauf, das Bauen, das Entwickeln, den Verkauf, das Portfolio- und Asset Management, Nachhaltigkeit, Property Management, etc.

Woher kommt die grösste Nachfrage?
Natürlich schon von den institutionellen Investoren. Gewisse Produkte sind aus regulatorischen Gründen sogar nur für Vorsorgeeinrichtungen zugänglich.

 

 

Wie würden Sie die aktuelle Marktdynamik beschreiben?
In den letzten beiden Jahren war es etwas schwieriger, weil allgemein eine grössere Preiskorrektur befürchtet wurde. Also neigte ein Teil der Investoren eher zum Verkauf. Wir hingegen gingen immer davon aus, dass es in dem Bereich, in dem wir mit unseren Produkten aktiv sind, nicht zu grösseren Korrekturen kommen würde. Man sieht jetzt deutlich, dass die Schweiz ganz anders aufgestellt ist als andere Länder. Der Markt bleibt stark und auch die Nachfrage zieht wieder an. Der Appetit macht sich bemerkbar.

«Aus meiner Sicht ist das Rendite-Risikoprofil ausserhalb der A- und B-Lagen immer noch in einem ‹Mismatch›»

Wo sehen Sie am meisten Renditepotenzial?
In der Cashflow-Rendite und der zukünftigen möglichen Wertsteigerung bei den kommerziellen Immobilien. Dort kam es ausserhalb der Toplagen in den letzten Jahren zu einer kleinen Abwertung. Wir haben antizyklisch investiert. Beispielsweise konnten wir vor zwei Jahren Akquisitionen tätigen, die jetzt eine starke Rendite abwerfen.

Aus meiner Sicht ist das Rendite-Risikoprofil ausserhalb der A- und B-Lagen immer noch in einem «Mismatch». Man bekommt recht viel Rendite für wenig Risiko. Wenn die Schweiz auf 10 oder 11 Millionen Menschen wächst, dann wollen bzw. müssen sie ja irgendwo arbeiten, einkaufen und wohnen.

Ist das Ihr Szenario für die Bevölkerungsentwicklung?
Wir gehen schon davon aus, dass die 10-Millionen-Marke irgendwann um 2035 oder 2040 überschritten wird.

Was bedeutet das für das Bauen?
Wenn man sich die Frage stellt, welchen Gebäudepark es für 10 Millionen Menschen brauchen würde, dann kommt man auf einen Investitionsbedarf von total rund 200 bis 300 Milliarden Franken, also etwa 20 bis 30 Milliarden Franken jährlich. Aus diesem Grund müssen wir über Verdichtung und Einzonungen sprechen, über grössere Projekte wie den sozialen Wohnungsbau, die Infrastruktur, die Logistik etc. Dieses Thema sollte man wirklich ganzheitlich betrachten. Die Schweiz ist eingezont. Wenn man nicht über Verdichtungen und einfachere Bewilligungsverfahren nachdenkt und nach besseren Lösungen sucht, dann wird das eine gigantische Herausforderung, alle diese Themen zu bewältigen.

«Eine Schweiz mit 10 Millionen Menschen bewirkt einen Investitionsbedarf in den Gebäudepark von rund 200-300 Milliarden Franken»

Wo liegen die Hindernisse?
Zum einen im regulatorischen Bereich. Ein konkretes Beispiel: In der Stadt Zürich besitzen wir ein altes Gebäude mit 12 Wohnungen. Als Bestandsimmobilie darf es bewohnt werden. Würde man es neu bauen, könnte man es auf 18 Wohnungen erweitern, aber aufgrund der Lärmschutzvorschriften würde es trotz bester Dreifachverglasung als unbewohnbar gelten. Wenn wir uns zu stark gegenseitig behindern und unnötig einschränken, werden wir bezüglich CO2-Emissionen das Netto-Null-Ziel der Schweiz bis 2050 nicht erreichen.

Waren die höheren Zinsen für Sie schmerzhaft?
Wir haben uns damit eigentlich immer wohl gefühlt. Schwankungen zwischen 1 und 2 Prozent lösen bei uns noch lange keinen Stress aus. Durch die Finma-Regulierung gehören regelmässige Stresstests bezüglich Zinsen, Wertänderungen, Leerstandsquoten, Kapitalrückrufe und so weiter ja zu unserem Daily Business. Wir sind sehr gut aufgestellt mit unseren Produkten, was sich letztendlich auch in der Performance zeigt.

Sind Sie eigentlich offen für weitere Akquisitionen?
Man soll niemals nie sagen. Aber momentan können wir mit unserer Produktepalette und unserer Organisation von 140 Mitarbeitenden hervorragend organisch skalieren.

Werden Sie weitere eigene Fonds lancieren oder eher bei den bestehenden mit Kapitalerhöhungen arbeiten?
Der klare Fokus ist das Wachstum mit den bestehenden Produkten. Kundinnen und Kunden schätzen unter anderem: Mehr Grösse und bessere Handelbarkeit. Aber natürlich denken wir immer über neue Produkte nach, auch im thematischen Bereich.

Wo ist der Flaschenhals für weiteres organisches Wachstum? Auf der Seite der Investoren oder auf der Seite der Objekte?
Das ist eine klassische Huhn-Ei-Frage. Es wird aus unserer Sicht in Zukunft wieder häufiger Bieterverfahren geben, bei denen mehr als 5-10 Kaufinteressenten beteiligt sind, dies vor allem bei Renditeobjekten im Wohnsegment. Gleichzeitig wäre es jetzt enorm interessant im kommerziellen Bereich (antizyklisch zum Beispiel in B-Lagen) zu investieren, da wie eingangs erwähnt das Rendite-Risiko-Verhältnis aus heutiger Optik in einem «Mismatch» steht. Wenn man sich die Rendite unseres Investment Fund Commercial (IFC) anschaut, zeigt sich dies deutlich.

«Für Investoren wird es wieder anspruchsvoller, geeignete Immobilien zu finden.»

Allgemein gehen wir davon aus, dass wieder mehr Kapital in den Markt fliessen wird, da die Fundamentaldaten der Schweiz deutlich für Immobilien sprechen. Somit wird es eher wieder anspruchsvoller, geeignete Immobilien zu finden. Jedoch haben wir auf der Akquisitionsseite mit unseren Teams einen sehr guten Zugang zum Markt. Zudem haben wir etwa 20-30 Prozent «Off-Market-Deals», die über langfristige Beziehungen entstanden sind. Für entsprechendes organisches Wachstum können wir uns zyklisch anpassen, sei es auf der Kapital- oder auf der Objekt-Seite. Dies nicht zuletzt auch dank unserer diversifizierten Produktepalette.